Freiberuflich während Arbeitslosigkeit: Wann beginnt Deine Selbstständigkeit laut SGB III – und was bedeutet das für Dein Arbeitslosengeld (ALG)?

Du planst den Schritt in die Selbstständigkeit, beziehst aber aktuell noch Arbeitslosengeld? Dann stellst Du Dir wahrscheinlich die Frage:
Ab wann gilt eine freiberufliche Tätigkeit offiziell als aufgenommen – und ab wann verliert man den Anspruch auf ALG?

Die Antwort ist nicht nur für Deinen Geldbeutel wichtig, sondern auch für Deine rechtliche Absicherung. Denn der Beginn der Selbstständigkeit im Sinne des SGB III wird anders bewertet als im Steuerrecht oder Sozialversicherungsrecht. In diesem Blogartikel erfährst Du, wann Du für die Agentur für Arbeit nicht mehr als arbeitslos giltst, wie Du Deinen ALG-Anspruch schützt – und was Du bei der Meldung einer Nebentätigkeit unbedingt beachten solltest.


1. Was bedeutet freiberuflich – und wann beginnt die Tätigkeit offiziell?

Die Definition von Freiberuflichkeit ist nicht in allen Rechtsbereichen gleich. Entscheidend ist, welches Gesetz Du betrachtest – und was Du konkret tust.

Im Steuerrecht

Laut § 18 EStG beginnt Deine freiberufliche Tätigkeit, sobald Du eine Leistung erbringst, für die Du eine Vergütung erhältst. Also: erste Tätigkeit gegen Entgelt = Start der Freiberuflichkeit.

Im Sozialversicherungsrecht

Hier zählt die tatsächliche Ausübung. Eine bloße Vorbereitung (Website, Visitenkarten, Steuernummer) reicht nicht aus.

Im Arbeitslosengeldrecht (SGB III)

Das SGB III – also das Gesetz, das für Dein ALG zuständig ist – sagt klar:
Maßgeblich ist die tatsächliche Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit.
Ein unterschriebener Vertrag allein beendet Deinen Arbeitslosigkeitsstatus nicht. Es geht darum, ob Du wirklich arbeitest oder bereits Einnahmen hast.


2. Arbeitsagentur & Selbstständigkeit: Wie wird der Tätigkeitsbeginn geprüft?

Die Bundesagentur für Arbeit orientiert sich bei der Beurteilung nicht am Vertrag, sondern an der tatsächlichen Ausübung Deiner freiberuflichen Tätigkeit.

Laut Weisung zu § 138 SGB III:
„Arbeitslosigkeit liegt nicht vor, wenn eine selbstständige Tätigkeit mit einem Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich aufgenommen wird.“

Das heißt: Der wöchentliche Zeitaufwand ist entscheidend, nicht nur das Einkommen.
Wenn Du regelmäßig mehr als 15 Stunden pro Woche arbeitest – auch ohne Honorar –, verlierst Du den ALG-Anspruch.


3. Vorbereitung vs. Tätigkeitsaufnahme – was gilt als was?

Was Du machst Einfluss auf Dein Arbeitslosengeld (ALG)
Vertrag unterschreiben Keine Tätigkeit → ALG-Anspruch bleibt bestehen
Steuernummer beantragen, Website erstellen Vorbereitung → erlaubt, keine ALG-Gefährdung
Erste Leistung erbringen oder Geld erhalten Beginn der Tätigkeit → ALG kann entfallen
Mehr als 15 Stunden/Woche tätig sein Auch ohne Geldfluss: ALG endet bei Überschreitung der Zeitgrenze

Das bedeutet: Nicht das Geld zählt zuerst, sondern Deine investierte Zeit. Auch Akquise, Planung und unentgeltliche Leistungen zählen als Tätigkeit – sobald sie regelmäßig und zeitintensiv werden.


4. Arbeitslos oder nicht – ab wann endet Dein ALG-Anspruch?

Nach § 138 Abs. 3 SGB III giltst Du nicht mehr als arbeitslos, wenn Du eine selbstständige Tätigkeit mit mehr als 15 Wochenstunden aufnimmst.

Wichtig für Dich:

  • Unter 15 Stunden/WocheNebentätigkeit, ALG bleibt bestehen

  • Über 15 Stunden/WocheALG endet, auch ohne Einnahmen

  • Meldung: unverzüglich vor Tätigkeitsbeginn (nicht erst bei erstem Honorar!)

Nutze hierfür das entsprechende Formular der Agentur für Arbeit oder reiche ein formloses Schreiben ein.


5. Sicher selbstständig starten: So vermeidest Du ALG-Probleme

a) Wann solltest Du die Agentur informieren?

Sobald Du weißt, wann und wie Du starten willst – aber nicht voreilig. Wichtig ist, dass Du die geplanten Stunden und das Startdatum klar benennen kannst.

b) Vertrag unterschrieben – ist das ein Risiko?

Nein – solange Du noch keine Leistungen erbringst und keine Rechnung stellst, hat der Vertrag keinen Einfluss auf Deinen ALG-Bezug.

c) Was tun, wenn Du erst später startest?

  • Im Vertrag den konkreten Tätigkeitsbeginn datieren („Beginn: 01.09.2025“)

  • Keine Zahlung oder Leistung vor dem Start

  • Falls nötig: eine schriftliche Erklärung an die Agentur, dass bis dahin keine Tätigkeit erfolgt


6. Diese Gesetze und Weisungen solltest Du kennen

  • § 138 SGB III – Wann endet Arbeitslosigkeit?

  • § 102 SGB III – ALG bei Nebentätigkeit

  • § 1 AlgV – Definition von Nebentätigkeit

  • BA-Weisung zu § 138 SGB III (Stand 2023) – Konkrete Vorgaben zur Selbstständigkeit

Hinweis: Die Agentur prüft neben Deinen Einnahmen auch, wie viel Zeit Du in die Tätigkeit investierst.
Beides kann den ALG-Anspruch beeinflussen – unabhängig voneinander!


7. Praxisbeispiel: So machst Du alles richtig

Dein Fall:

  • Vertrag unterzeichnet: 10.08.2025

  • Tätigkeitsbeginn laut Vertrag: 01.09.2025

  • Geplanter Zeitaufwand: 10 Stunden/Woche

Bewertung:

  • Bis 31.08.2025: Du bist weiterhin arbeitslos, ALG bleibt bestehen

  • Ab 01.09.2025: Nebentätigkeit mit unter 15 Std/Woche → ALG wird weitergezahlt

  • Wichtig: Die Tätigkeit muss vorab gemeldet werden!

Tipp:
Melde der Agentur schriftlich:

„Ich nehme ab dem 01.09.2025 eine freiberufliche Nebentätigkeit mit ca. 10 Stunden pro Woche auf. Bis dahin erfolgen keine Leistungen oder Einnahmen.“


8. Deine Checkliste für die Kommunikation mit der Arbeitsagentur

Was solltest Du sagen?
„Ich habe einen Vertrag zur freiberuflichen Tätigkeit unterschrieben. Der Tätigkeitsbeginn ist der 01.09.2025. Der geplante Umfang liegt unter 15 Stunden/Woche. Bis dahin erfolgt keine Tätigkeit.“

Was solltest Du vermeiden?

  • „Ich habe einen Auftrag bekommen“ – klingt nach sofortiger Tätigkeit

  • Vage Aussagen ohne klare Datumsangabe

  • Ungenaue Formulierungen zu Deinem Arbeitsaufwand

Was kannst Du einreichen?

  • Vertrag (Startdatum sichtbar, sensible Daten ggf. geschwärzt)

  • Erklärung zum Stundenumfang (z. B. „ca. 10 Stunden/Woche“)

  • Auf Anfrage: Nachweis, dass keine Einnahmen erfolgt sind

Sichere Formulierungen:

  • „Die Tätigkeit beginnt laut Vertrag erst am 01.09.2025.“

  • „Ich melde die freiberufliche Tätigkeit vorsorglich. Der zeitliche Umfang bleibt unter 15 Wochenstunden.“


Fazit: Freiberuflich während Arbeitslosigkeit – mit Klarheit und Sicherheit

Wenn Du freiberuflich während Arbeitslosigkeit starten willst, ist eines entscheidend:
Der offizielle Beginn Deiner Selbstständigkeit zählt erst ab tatsächlicher Tätigkeit – nicht ab Vertragsabschluss.

Mit sorgfältiger Planung, einer rechtzeitigen Meldung und einer sauberen Dokumentation kannst Du Deine ALG-Zahlungen absichern und parallel Deine Selbstständigkeit vorbereiten. Solange Du unter der 15-Stunden-Grenze bleibst und keine frühzeitigen Leistungen erbringst, gehst Du kein Risiko ein.


Tipp:
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